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Engel der Herzöffnung

Es war einmal ein Mädchen, das seine Oma sehr liebte.

Sie hatten viel Spaß miteinander und verbrachten oft Stunden gemeinsam im Gemüsegarten. Das Mädchen lernte von seiner Oma, wie man Marmelade macht und einkocht. Der Käsekuchen der Oma war eindeutig der Beste der Welt.

 

Doch eines Tages war es soweit, dass die geliebte Oma die Erde verlassen musste.

Das Mädchen war untröstlich und verzweifelt. Niemals würde sie den Verlust überwinden, da war sie sicher.

 

Eines Tages lief sie wieder einmal durch den Gemüsegarten. Er war leer und sah genauso traurig aus, wie sie. Niemand war mehr da um ihn liebevoll zu versorgen. Selbst die Obstbäume trugen in diesem Jahr viel weniger als sonst.

Es schien, als würde selbst die Natur um ihre Oma trauern.

 

Langsam stieg in ihrem Herzen, neben all der Trauer und Sehnsucht, die Frage auf, wie es denn nun weitergehen sollte.

 

Sie lief weiter und kam auf eine wunderschöne Blumenwiese, die direkt hinter dem Grundstück begann. Dort stand ein großer Holunder. „Das ist ein schöner Platz“, dachte das Mädchen und setzte sich zu ihm. Ihr Herz fühlte sich traurig und ratlos an.

 

Sie musste eingeschlafen sein, als sie plötzlich ein Wesen sah, das direkt vor ihr stand. Es war nicht größer als sie und sah freundlich aus.

 

„Wer bist du denn?“, fragte das Mädchen. „Ich bin der Engel der Herzöffnung. Ich habe mich ganz klein gemacht, um dich nicht zu erschrecken.“ „Oh“, sagte das Mädchen, „du bist wunderschön“.  „Darf ich dich fragen, warum du so traurig bist“, fragte der Engel ganz sanft. Da begann das Mädchen heftig zu weinen und erzählte dem Engel alles. Nachdem sie geendet hatte fühlte sie sich schon ein klein wenig besser. „Kannst du mir helfen?“ fragte sie zaghaft.

Da lächelte der Engel und begann zu strahlen. Aus Versehen wurde er sogar ein wenig größer.

„Ja, ich kann die helfen“, sprach er. „Das Geheimnis ist, dass du dein Herz öffnen kannst. Ein offenes Herz ist voller Liebe und kann alles sehen und spüren, auch die, die nicht mehr auf der Erde sind. Dann wirst du erkennen, dass deine geliebte Oma immer ganz nah bei dir ist, sie hat dich nicht verlassen. Und sie wünscht sich so sehr, dass du wieder fröhlich bist und lachst.“ „Lieber Engel“; sagte da das Mädchen traurig, „das kann ich wohl nie mehr.“

 

Liebevoll sah der Engel auf sie herab. Unbemerkt war er immer größer geworden und behütete das Mädchen mit seinem wundervollen Licht.

        

„Mein geliebtes Kind“, sagte er. „Geh nach Hause. Dort wirst du ein Zeichen finden und dann weißt du, was zu tun ist.“

 

So ging das Mädchen heim. Als sie in ihr Zimmer kam lag auf ihrem Bett, mit einer wunderschönen rosa Schleife versehen, das Rezept- und Gartenbuch ihrer Oma. Dort hatte sie alles notiert vom Säen der Pflanzen bis zur Marmelade. Ja, sogar das Rezept für den Käsekuchen stand darin.

 

Da lächelte das Mädchen und sagte laut „Ja, jetzt weiß ich, was zu tun ist.“

Sie ging in den Garten und begann zu arbeiten.

Und auf einmal schien es, als würde es heller werden. Konnte es sein, dass die Vögel plötzlich etwas lauter zwitscherten?

 

Fast unbemerkt stand plötzlich ihre Mutter neben ihr. Sie hatte sich ebenfalls eine Hacke genommen und begann mitzuarbeiten. Still lächelte sie vor sich hin, zum ersten Mal seit langer Zeit. Da erst fiel dem Mädchen auf, wie traurig ihre Mutter die ganze Zeit gewesen war. Das hatte sie in ihrer eigenen Trauer gar nicht bemerkt.

 

Das Mädchen schaute in den Himmel.

Danke liebe Oma, danke lieber Engel.

Mein Herz ist geöffnet.

 

© Kirsten Susanne Dier

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